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OB Rede zum Welt-Frauen-Tag

Bild: Christel Augenstein (Bildmitte links), eine priviligierte Frau, die es geschafft hat...

Christel Augenstein (Bildmitte links), eine priviligierte Frau, die es geschafft hat...

Grußwort von Christel Augenstein, Oberbürgermeisterin der Stadt Pforzheim, anlässlich des 11. Internationalen Frauenempfangs am 8.03.2009

um 17 Uhr im Reuchlinhaus
Meine sehr geehrten Damen,
liebe Pforzheimerinnen, liebe Gäste aus dem Enzkreis,
gemeinsam sind wir stärker, gemeinsam können wir uns mehr Gehör verschaffen und mehr erreichen.
Deswegen freue ich mich, dass wir heute den Internationalen Frauentag zusammen feiern.
Seien Sie alle ganz herzlich willkommen.
Frauen in der Politik scheinen heutzutage selbstverständlich zu sein.
Das stimmt und täuscht zugleich.


Ja, wir haben eine Bundeskanzlerin, Ministerinnen auf Bundes- und Landesebene, Bürgermeisterinnen und Gemeinderätinnen.
Andererseits ist die Politik immer noch weitgehend eine Männerdomäne.
Dies gilt es zu ändern und Sie haben in diesem Jahr reichlich Gelegenheit dazu.
Als demokratisches Gemeinwesen können wir uns nicht damit zufrieden geben, dass die Hälfte der Bevölkerung politisch nicht angemessenrepräsentiert ist. Dies war auch der allgemeine Tenor einer Matinee, zu der ich Ende Januar nach Berlin ins Kanzleramt eingeladen war.
Rund 100 Damen/Frauen und Mandatsträgerinnen aus ganz Deutschland waren der Einladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel gefolgt, um an die Einführung des Frauenwahlrechts vor 90 Jahren zu erinnern und diesen Meilenstein unserer Emanzipationsgeschichte natürlich auch gebührend zu feiern.
Neben unseren Bundesministerinnen nahmen an dieser Veranstaltung auch die Grand Dame der Liberalen Hildegard Hamm-Brücher und die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer teil.
Für mich war es ein bestärkendes und Mut machendes Zusammentreffen, so wie unser heutiger 11. Pforzheimer Frauenempfang.
Kurz zuvor (22.01.2009) führte die Wochenzeitung „Die Zeit“ ein Interview mit Angela Merkel in dem auch unsere Bertha Benz eine Rolle spielt:
„Die Zeit“ titelt:     Vor 90 Jahren durften Frauen in             Deutschland zum ersten Mal wählen .
Angela Merkel antwortet: ... eine erstaunlich kurze Zeit. Vor einigen Monaten fragte mich in einem arabischen Land ein Gesprächspartner: Wie lange dürfen die Frauen eigentlich bei Ihnen schon wählen? Und als ich sagte: Seit 1919, da kam als Nächstes: Wie lange dürfen die Frauen schon Auto fahren? Als ich erzählt habe, dass Bertha Benz die erste öffentliche Fahrerin eines Autos war, dass Frauen seit der Erfindung des Autos fahren, waren die Gesprächspartner sehr erstaunt.
Wahlrecht und Autofahren sind für die meisten von uns heutzutage ganz selbstverständlich.
Wir sind nicht mehr an Haus und Hof gekettet und auf das Private begrenzt.
90 Jahre nachdem das aktive und passive Frauenwahlrecht erstritten und 60 Jahre nachdem der Gleichstellungsartikel im Grundgesetz verankert wurde, sind Frauen in Deutschland dennoch die Ausnahme bzw. Minderheit in kommunalen Entscheidungs- und Führungspositionen:
deutschlandweit gibt es nur 5 Prozent Bürgermeisterinnen
über 90 Prozent aller Landkreise werden von Männern geleitet
noch immer gibt es „frauenfreie“ Gemeinderäte
Das ist wahrlich kein Ruhmesblatt für unsere Demokratie. Im Gegenteil.
Es ist eigentlich ein Armutszeugnis.
Können Sie sich heute noch vorstellen, dass der Bundestagsvizepräsident Richard Jäger/CSU noch 1970 (!) Parlamentarierinnen verbot im Hosenanzug das hohe Haus zu betreten?
Wie einem Zeitungsbericht zu entnehmen ist, beschwerte sich damals ein Artur E. aus Heilbronn sogar beim SPD-Parteivorstand über Frau von Bothmer, die sich über dieses Verbot hinwegsetzte. Der Hosenanzug, so klagt er, sei ein Zeichen für die schwindende Moral der Frau.
Doch kommen wir wieder zurück zur Kommunalpolitik.
Der Frauenanteil in den Kommunalparlamenten Baden-Württembergs beträgt aktuell 21 Prozent und liegt damit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 25 Prozent.
Bei den letzten Kommunalwahlen im Jahr 2004 stieg der Anteil der Gemeinderätinnen im Enzkreis auf 22,4 Prozent, während er in Pforzheim von 35 auf 25 Prozent sank.
Zwischenzeitlich ist  jedoch der Prozentsatz durch eine Nachrückerin (Anneliese Graf) wieder auf 27,5% Prozent gestiegen.
Andersherum gesehen könnten wir auch von einer dramatischen Männerquote von über 70 Prozent in unseren kommunalen Gremien sprechen!
Haben Sie diesbezüglich einen Aufschrei gehört?
So viele Männer in der Politik sind doch normal!?
Stellen Sie sich nur einmal vor was passieren würde, wenn nach den nächsten Wahlen das Geschlechterverhältnis punktgenau umgekehrt wäre?
Wir haben keinen Grund zur falschen Bescheidenheit.
Denn wir Frauen sind keine Minderheit, sondern sogar etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung (52 Prozent).
Es stimmt auch nicht, dass wir keine Ahnung von Politik haben.
Als Lokal- und Alltagsexpertinnen wissen sie bestens, wo es bei uns noch klemmt und wie praxistaugliche Lösungen aussehen müssen.
Dieses Wissen brauchen wir in den  Gemeinderäten, um unsere begrenzten Ressourcen gezielt und zukunftsweisend einzusetzen.
Bedenken Sie, dass unser tägliches Leben zu rund 80% von kommunalpolitischen Entscheidungen bestimmt wird.
In den Gemeinderäten wird entschieden, wie wir wohnen, wie wir in der Stadt leben und wie unsere Kinder aufwachsen.
Bereits 1992 habe ich – damals noch als Stadträtin - einen Antrag zur Einrichtung von Ganztagsschulen gestellt.
Jetzt setzen wir diese Forderung Schritt für Schritt um.
Denn eine Stadt lebt nicht von ihren Gebäuden, sondern von den Familien und Kindern, die in ihr leben.
Sie müssen wir wieder mehr ins Zentrum unseres Handelns stellen.
In der Familien- und Gleichstellungspolitik kommt uns auch Europa zu Gute.
Hier können wir uns gegenseitig voranbringen und beflügeln.
Mit einem Frauenanteil von 30 Prozent im Europaparlament können wir uns nicht begnügen.
Ebenso wenig wie mit einem Frauenanteil von 32 Prozent im Bundestag.
Meine Damen, Sie haben die Wahl  -  „Damenwahl“ – das ist der Buchtitel zum 90. Jahrestag des Frauenwahlrechts.
Denn Politik ist nicht nur Männersache, wie es in dem gemeinsamen  Pforzheimer  Wahlaufruf heißt, den Sie auf Ihren Stühlen vorfanden.
Nutzen Sie Ihr Wahlrecht.
Bestimmen Sie mit, wer in unserer Stadt, in unseren Gemeinden, in Deutschland und in Europa über unser aller Gegenwart und Zukunft entscheidet.
Informieren Sie sich, prüfen Sie kritisch, ob Ihren Anliegen und Themen in den Partei- und Wahlprogrammen Rechnung getragen wird.
Ob die, die Sie gerne wählen würden, ihre Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit bereits bewiesen haben.
Und nicht zuletzt geben Sie mehr Frauen die Chance, in Ihrem Auftrag politisch mitzubestimmen.
Denn Frauen sind dazu ebenso fähig wie Männer.
Eine ausgewogene Mischung von Männern und Frauen in den Gemeinderäten und Parlamenten kommt uns allen und unserer Demokratie zu Gute.
Wer seine Zukunft nicht mitbestimmt, muss sie erdulden.
Lassen Sie es nicht soweit kommen.
Seien Sie sich Ihrer Chancen, Ihrer Verantwortung und auch Ihrer Macht als Wählerin bewusst.

08.03.2009

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